Als Ungar, der in Deutschland lebt, aber nicht nur hier wirkt (Aufführungen von mir gibt es ja auch im Ausland), musste ich mich immer schon zwischen der Armada von Komponisten und Künstlern in diesem Land positionieren. Als ich kurz nach der Wende nach Deutschland kam, habe ich die Stadt Berlin gewählt, um zu studieren. Beinahe noch pubertierend war meine Vorstellung vom Westen, dass man in der Demokratie alles erreichen kann, wenn man hart arbeitet und auch etwas drauf hat. (Dies, ohne hochnäsig zu werden. Ich denke, das habe ich in meiner bisherigen ca. 12 Jahre langen Komponistenlaufbahn mit der einen oder anderen Arbeit von mir bewiesen).
Ich habe Ungarn aus vielerlei Gründen verlassen: um Wissen zu sammeln, auch aus privaten Gründen, einfach um in eine Atmosphäre zu kommen, wo man sich als Komponist oder Künstler verwirklichen kann, ohne irgendeine Grenze ziehen zu müssen: „Dies oder das darf man nicht, da es gefährlich wäre“. DAS kannte ich zu gut aus den Zeiten des Kommunismus. Ich kam nach Deutschland letztlich um der Freiheit willen. Klüngel, Protektion und Schleimerei hat mich immer schon sehr angeekelt. Ich wollte und will weiterhin, dass ein Künstler nach seinem Schaffen und Können beurteilt wird, nicht danach, wer wen kennt, wer mit wem verkehrt und wer wen bedient. Ligeti hat z.B. immer zu seinen Schülern gesagt: „Suche den Widerstand!“. Das ist Kunst und Substanz und Wahrheit. Diese Worte und nicht zuletzt auch die Worte meines Kompositionslehrers Paul-Heinz Dittrich „Anpassen ist der Tod eines Künstlers“ haben mich immer schon getrieben – ob in der Arbeit als Komponist oder im sogenannten politischen Verhalten). Ich bin weiterhin fest davon überzeugt, dass die Haltung eines Künstlers an erster Stelle stehen muss: sich nie verbiegen, zu der eigenen Meinung stehen und sich immer im Spiegel anschauen können.
Nach der Donaueschingen -Schelte 2002 musste ich heftigst erfahren, was es heisst, wenn man konsequent bleibt. Man wird zerrissen, es wird versucht und alles wird dafür getan, dass man kaum weiterkommt, wenn man die eigenen Meinung sagt. Ich habe mir ein dickes Fell anwachsen lassen. Und wie alle sehen, bin ich weiterhin präsent.
Die Demokratie in der hiesigen Kulturpolitik ähnelt mittlerweile sehr den Zuständen in Ungarn während meiner Pubertät: es wird geklüngelt, geschleimt, sich positionierend ein Weg gesucht, wie man Karriere machen kann. Eigentlich wäre es konsequent, sich wie Kurtàg im Kommunismus wie ein Eremit einzuschließen und mit der Familie zusammenlebend für die Kunst zu leben. Nirgendwo mitzumischen, jedoch alles zu betrachten.
Ich frage: was soll denn hier überhaupt passieren, wie soll ein Künstler damit umgehen, um nicht im Frust und dann in die Resignation zu fallen? Einfach aufgeben? Dafür bin ich leider zu obsessiv. Und ich werde immer meinen Widerstand suchen. Das ist liegt als Ungar in meinen Genen.
Ich denke, die beste Variante ist weiterhin – wie ich einmal schon schrieb: „Schmunzelnd den Untergang der Vertreter der sogenannten Neuen Musik“ betrachten. Aber dafür ist diese Kultur doch viel zu wichtig! Soll man wirklich alles dem neoliberalen Schleimertum und den angepassten Unkünstlern und opportunistischen Karrieristen überlassen? Kampf ist angesagt!
Daher, lieber Moritz, hier meine Antwort: Nein, ich möchte nicht mehr als Gastblogger installiert werden. Diese Funktion ist mir abhold. Ich habe keine Lust den Clown zu spielen, auf dessen Rücken dann hochgeklettert wird. Ich stehe zu den Menschen, die tolle, grenzüberschreitende und wirklich offene Foren bieten für die Kunst – diese verbinde ich mit Gegenden wie Weimar, die Randbezirke Berlins, Niedersachsen, dem Ruhrgebiet, Leipzig oder dem Osten der Republik. Hier passiert und lebt noch etwas. Und wenn diese Foren sich trotzdem manchmal im Kreise drehend erscheinen, ist das nur, weil sie nicht die materiellen Möglichkeit haben bzw. die übriggebliebenen Möglichkeiten sogar noch weggekürzt werden(!). Und auch, weil diese Foren nicht mit riesigen Trommelschlägen ihr Tun begleiten, weil kein Kartell dahintersteckt. Auch keine Zeitung, wie unter anderem die nmz. (Bei dieser Zeitschrift – die wir auch bekommen, weil meine Frau DTKV-Mitglied ist – liest man seit Jahren beinahe nur vom über Veranstaltungen der westlichen Zentren: Selbstbeweihräucherung und Selbstliebe der Ewiggleichen).
Für mich als Aussenstehenden erscheint diese Entwicklung der letzten Jahre – vor allem, seit dem das sogenannte „Netzwerk“ ins Leben gerufen worden ist – als eine stillschweigende Okkupation der östlichen Republik in die große BRD: das noch Vorhandene wird noch weiter zerstört und kaputt germacht und die Künstler, die hier wirken, haben beinahe die Hoffnung verloren. Weil es kaum noch Sinn macht, gegen die Großen aus dem Westen des Landes anzukämpfen. Ich weiss, vielleicht werden jetzt viele Gegenbeispiele genannt. Aber wenn man bei denen in die Tiefe schaut, stecken dahinter meistens irgendwelche „verfilzten“ Wendehälse oder aus dem Westen zugezogene Neue-Musik-Demokraten“.
Nein. Ich will hier keine Ost-West-Diskussion und/oder Polarisation. Das sind leider Tatsachen. Die Künstler im Osten des Landes haben mittlerweile längst gelernt damit umzugehen: sie suchen ihre Wege in künstlerischen Freiheiten, die im Westen unbekannt sind, und schlagen dem Bild vom oft bequem propagierten „Jammerosten“ ein Schnippchen.
Aber Herr Jansons erster Beitrag zeigt, dass es nicht nur im Osten so zugeht. Auch bestimmte Ecken im Westen haben mittlerweile mit dem Überleben zu kämpfen, weil sie nicht das Sprachrohr haben, um sich zeigen zu können – es gibt keine Plattform, wo Künstler sich präsentieren können. Und von den Zeitschriften, deren Aufgabe es eigentlich wäre darüber zu berichten, werden sie durchweg ignoriert.
Der Ablauf ist beinahe gleich wie in der Politik: erst wurde der Osten okkupiert, dann rücksichtslos zerstört und unterwandert, dann folgt die Abwanderung,. Tatsächlich haben mittlerweile im Westen einige Städte und Gegenden das gleiche Problem: es fehlt das Geld bzw. das Geld, das da wäre, wird einseitig verteilt .
So kann man Kultur kaputtmachen. Statt Vielfalt, die eine der Werte der Demokratie ist, gibt es nur noch die Gegensatzpaare Groß, Institutionell und Kartellähnlich und klein, aber frei und totgeschwiegen (nachzulesen auch bei Colin Crouch, Postdemokratie, Edition Suhrkamp).
Bestimmte Leute werden mich wahrscheinlich in eine rote Ecke drängen wollen. Um dem zuvor zu kommen: ich bin im Kommunismus aufgewachsen und wurde wegen meines „blaublütigen“ Namens dort von Klein auf diskriminiert. Ich weiss deshalb sehr gut, was „rote“ Diktatur bedeutet, wie das ist, seine Ausbildung nicht frei wählen zu können und im beruflichen Leben reglementiert zu werden. Aber das, was hier in den einigen Jahren hier unter der Deckmantel „Demokratie“ abläuft, ist beinahe das Gleiche wie damals in den 80er Jahren in Ungarn. Nun, heute heisst das Neoliberal. Ich sage eher: „Marktdiktatur“ und „Geschleime“ mit Anzug, himmelblauem Hemd und Joop-Krawatte.
Ich hoffe nur, dass Künstler einfach endlich den Mumm haben, sich nicht verbieten zu lassen den Mund aufzumachen. Und sich nicht weiter provozieren zu lassen durch diesen neoliberalen Geist, der mehr zerstört als aufbaut, weil es nur noch um Gewinn und Geldmacherei geht und nicht um Werte, die die Kunst vertritt: Wahrheit, Freiheit – im der künstlerischen wie auch in der politischen Haltung.
Noch etwas zur politischen Haltung:
Und wenn man hört, dass man von Jemand „entdeckt“ werden soll, um irgendwo hineinzukommen, gespielt zu werden, geschweige denn einen Auftrag zu bekommen Ich frage mich, wie soll das denn passieren? Die Realität sieht doch so aus: einer empfiehlt den anderen und dann wird der „entdeckt“! Hurra! Wie toll und demokratisch! Diktaturen funktionieren genauso und im damaligen Kommunismus funktionierte alles genauso: ja, vielleicht mit dem Unterschied, dass damals ein kleines Parteibuch dazu nötig war, um etwas zu erreichen. Heutzutage braucht man kein Büchlein – eigentlich wäre dies im Kulturbetrieb jedoch viel „demokratischer“: eigentlich müsste auch hier ein kleines Parteibuch gemacht werden, das dann Komponisten durch angepasstes und wohlgelittenes Verhalten erwerben könnten, um dann bei den Großen anzukommen Dann wüsste man genau: Aha, der gehört dazu … So, wie das jetzt läuft, ist es viel schlimmer, da alles in Vernebelung gehalten wird oder auf Nachfragen nur mit Sätzen wie „ Du bist nur neidisch“ oder „ Der will doch nur selbst an Aufträge kommen“ geantwortet wird.
Summa Summarum: wahrscheinlich braucht der Mensch Diktatoren – gerade in Deutschland. Da sind viele schon daran gewöhnt. Erst Hitler, dann Honni, jetzt das Geld oder der Neoliberalismus – was eigentlich nichts anderes ist als das Diktieren von Werten, die eigentlich keine Werte sind, weil sie in ihrer unnützen Oberflächlichkeit die wahre Werte der Kunst auffressen.
Donnerstag, 18. Februar 2010
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